Westsahara-Kennzeichnung: Spektakulärer Rückzieher der EU-Kommission
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Am 5. Februar 2020 kündigte die EU-Kommission an, dass Produkte aus der Westsahara entsprechend gekennzeichnet werden sollen. Doch etwa 24 Stunden später waren alle Spuren dieser Erklärung von den EU-Websites entfernt worden.

Veröffentlicht 16. Februar 2020

"Alle eingeführten Produkte, einschließlich der aus der Westsahara stammenden, müssen den einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechen, einschließlich der Anforderung, genaue und nicht irreführende Angaben über das Ursprungs- oder Herkunftsland dieser Produkte zu machen, die in diesem Fall also "Westsahara" sein müssen". Dies ist die Antwort, die der EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Janusz Wojciechowski am 5. Februar 2020 auf eine Anfrage im Europäischen Parlament gab.

Diese Antwort wurde auf der Website des Europäischen Parlaments veröffentlicht, so wie es das Standardverfahren bei der Beantwortung von parlamentarischen Fragen ist. Doch einen Tag später wurde die Erklärung der Kommission von dieser Website entfernt.

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Die parlamentarische Anfrage, die zu der Antwort geführt hatte und die von der Europaabgeordneten Heidi Hautala (Finnland, Grüne/EFA) am 11. Dezember 2019 vorgelegt wurde, ist immer noch auf der Website des Parlaments zu finden (mit dem Referenzcode P-004368/2019). Die Frage betraf die Kennzeichnung der Herkunft von Produkten aus der Westsahara und die Frage, ob die Konformitätskontrollen Marokkos bei diesen Produkten mit den einschlägigen EU-Verordnungen in Einklang stehen - insbesondere im Hinblick auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs, in denen festgestellt wurde, dass Marokko keine Souveränität oder Gerichtshoheit über die Westsahara hat. Das rechts oben auf der Seite angezeigte Symbol - ein Dokument mit der Überschrift "answer in writing" - zeigt an, dass die Frage beantwortet wurde und durch Anklicken dieses Symbols aufgerufen werden kann (siehe Foto rechts).

Die Seite mit der Antwort, die Kommissar Wojciechowski im Namen der EU-Kommission gegeben hatte, wurde jedoch komplett entfernt. Stattdessen erhalten die Besucher der Seite den Hinweis, dass die aufgerufene Internetadresse nicht existiere (siehe Screenshot oben).

Die Europaabgeordnete Hautala hat jedoch eine Kopie der Antwort der Kommission auf ihr Anfrage - mit genau dem gleichen Referenzcode P-004368/2019, auf den sich die schriftliche Antwort der Kommission bezieht - auf ihrer persönlichen Webseite aufbewahrt. Eine Übersetzung der Anfrage sowie der verschwundenen Antwort finden sie hier.

"Warum es diese bizarre Verkettung von Ereignissen gibt, kann ich nicht ergründen. Dies ist wirklich beispiellos, insbesondere für eine offizielle Antwort an das Parlament von der höchsten Ebene der Kommission. Offenbar wird die Kommission zu gegebener Zeit eine neue, vermeintlich "richtige" Antwort geben. Ich bin gespannt, wie sie sich von der ersten Antwort unterscheiden wird", erklärt der Abgeordnete Hautala.

Als die Erklärung der Kommission zur korrekten Kennzeichnung der Herkunft von Produkten aus der Westsahara zum ersten Mal veröffentlicht wurde, bezeichneten die EU-Medien dies als "Schlag für Marokko". "Die Europäische Kommission erklärte am Mittwoch, dass Produkte, die aus der Westsahara stammen, als solche gekennzeichnet werden müssen, in einem Schritt, der wahrscheinlich eine Gegenreaktion Marokkos auslösen werde, welches das Gebiet annektiert hat", schrieb der EU Observer.

Angesichts der Sensibilität Rabats in dieser Frage - Marokko hat seine Beziehungen zur EU wegen der Westsahara schon früher einmal eingefroren - könnte eine solche Gegenreaktion sehr wohl hinter diesem unerklärlichen Rückzieher stecken.
 

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