Bremen bringt Licht in umstrittenen Fischmehlimport
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Der Import von Fischmehl aus der besetzten Westsahara nach Deutschland ist größer als bisher angenommen.

Veröffentlicht 25. Februar 2019

Oben: Demonstrant*innen protestieren gegen die Importe von KMP vor dem Sitz des Unternehmens in Hamburg, 29. Juli 2018 

Western Sahara Resource Watch (WSRW) berichtete im Juli 2018 über den Import von bis zu 3.000 Tonnen Fischmehl aus El Aauin, der Hauptstadt der von Marrokko besetzten Westsahara, im Bremer Holzhafen.

Der Importeur, Köster Marine Proteins, hat auf wiederholte Anfrage von wsrw nicht geantwortet. Der Zoll schweigt mit Verweis auf das Steuergeheimnis.

Auch der Versuch der SPD-Bürgerschaftsfraktion, mittels einer Kleinen Anfrage an den Senat, den Import von Waren aus der besetzten Westsahara in Bremen aufzuklären und diesem zu begegnen, verlief enttäuschend. 

Allerdings gibt der Senat in seiner Antwort vom 15.01.2019 an, dass vom Januar 2017 bis zum August 2018 insgesamt 22.026 Tonnen Schäl- und Mahlerzeugnisse, unter die Fischmehl fällt, aus der Westsahara in Bremen importiert wurden. Dabei kann es sich nur um Fischmehl handeln, denn andere Produkte in diesem Bereich werden nicht aus der Westsahara nach Europa exportiert. Dies deckt sich auch mit fünf Schiffslieferungen von El Aauin nach Bremen in dieser Zeit, die wsrw rekonstruieren konnte (s.u.). 

Die Lieferungen des Frachters BENTE im letzten Jahr war also kein Einzelfall. Der Export von Fischmehl aus der besetzten Westsahara führt in großen Mengen über Bremen.

Köster Marine Proteins (KMP) beschreibt sich selbst auf seiner Homepage als den größten Fischmehlhändler Europas. WSRW kann bisher nicht beweisen, dass die 22.026 Tonnen von KMP importiert wurden, aber es ist das einzige Unternehmen dieser Art in Bremen.

Basierend auf den Daten des Senats (Verweis auf Angaben des Statistischen Landesamts Bremen) schätzt WSRW, dass die Importe nach Bremen ca. 12% des Warenwertes an Fischereiprodukten ausmacht, die jährlich aus der von Marokko besetzten Westsahara in die EU exportiert werden (Kalkulation s.u).

Heute hat WSRW ein Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz an das Hauptzollamt Bremen geschickt mit der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe 2017/2018 Zollgebühren auf Fischmehl aus der Westsahara erhoben wurden. Konkret wurde um Kommentierung der Kalkulation von wsrw von 6 Mio. € Zollgebühren für die 22.026 Tonnen Import aus der Westsahara in Bremen gebeten. [UPDATE 30.03. 2019: WSRW erhielt eine Antwort vom Hauptzollamt Bremen, dass diese Annahme nicht korrekt ist, da der Drittlandzollsatz 0% beträgt. Download der Antwort vom 25.03.19]. 

"Wir haben Köster Marine Proteins aufgefordert, kein Fischmehl aus der Westsahara zu importieren, solange der Westsaharakonflikt nicht gelöst ist. Zum Fischereisektor der marokkanischen Regierung in diesen Gebiet beizutragen, zementiert die illegale Besatzung und erschwert die Bemühungen des UN-Sondergesandten, des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, zur Lösung des Konflikts", erklärte Tim Sauer von Western Sahara Resource Watch. Die Frente Polisario hat als von der UNO anerkannte Vertretung des sahrauischen Volkes diesem Export nicht zugestimmt, sondern im Fall der Bente, gefordert, dass die Ware den deutschen Zoll nicht passiert.

Im Urteil vom 21.12.2016 stellte der EuGH P 104/16 C klar, dass das Handelsabkommen nicht auf die Westsahara Anwendung findet. Entsprechend hatte die EU-Kommission die Zollbehörden am 15. März 2017 angewiesen, Waren aus der Westsahara rückwirkend ab dem Tag nach dem Urteil als aus der Westsahara stammend einzuordnen und die entsprechenden Zölle zu erheben. 

Ob diese Anweisung umgesetzt wird, wollten Bundestagsabgeordente der Grünen in einer Kleinen Anfrage wissen. Am 19.09.2018 antwortete die Bundesregierung (Drucksache 18/13591), dass 2016 keine Landwirtschafts- und Fischereiprodukte aus der Westsahara nach Deutschland importiert wurden und Importe in diesen Bereichen für den deutschen Markt irrelevant seien. Diese Antwort ist irreführend. Zum einen hätte der Import nach dem 22.12.2016 betrachtet werden müssen. Zum anderen wird verschwiegen, dass es ja offensichtlich bisherige Praxis war, Waren aus der Westsahara mit dem Ländercode MA einzuführen und sie damit nicht in der Statistik unter der Rubrik Einfuhr mit dem Ländercode EH auftauchen (Einfuhr Deutschland 2013-2017, WA2301 Mehl, Pellets von Fleisch oder Fisch). 

2017 weist die auf den Angaben des Zolls basierende Bundesstatistik immer noch keine Importe von Fischmehl aus der Westsahara aus. Die Bremer Importe müssen also als „marokkanische“ Ware deklariert worden sein, so die Vermutung von WSRW. Insgesamt wurden demnach 24.441 Tonnen Fischmehl aus "Marokko" in Deutschland mit einem Warenwert von 25.794 Tonnen, also durchschnittlich 1.055 Euro/Tonne, eingeführt. Wenn man diesen Durchschnittwarenwert zugrunde legt, haben die 22.026 Tonnen Fischmehl, die die Bremer Statistik für 2017 und (Januar-August) 2018 angibt, einen Warenwert von ca. 23 Millionen Euro (Anteil 2017: 14 Mio Euro).

Zum Vergleich: die Europäische Kommission schätzte 2018 den Gesamtwarenwert der Fischereiprodukte, die aus der Westsahara in die EU exportiert wurden, auf 122 Mio. Euro im Jahr 2016..

Wenn man davon ausgeht, dass die Gesamtexporte 2017 ähnlich hoch waren wie 2016, dann wurden über den Bremer Holzhafen ca. 12% aller EU-Importe von Fischereiprodukten aus der besetzten Westsahara abgewickelt. Dieser Prozentsatz ist vorerst eine grobe Schätzung von WSRW.

Über den Hansakai im Bremer Holzhafen organisiert KMP zusammen mit J. Müller Weser die Einfuhr von Fischmehl aus Übersee. Deren 2016 gebaute Anlage liefert alle Voraussetzungen, um die Auflagen der EU zum Transport und insb. die hohen Auflagen zur Hygienekontrolle zu erfüllen. Das Fischmehl kann in dieser Anlage nach der Einfuhr in Containern oder Bigsacks auf Schiffe, Züge oder LKW verladen werden. 

Die genannten Importe lassen Bremen aktuell als Tor der EU im Handel mit Fischmehl aus der besetzten Westsahara erscheinen.

Text: WSRW geht davon aus, dass im Zeitraum nach dem EuGH-Urteil und vor der Neufassung des Handelsabkommens folgende Frachter Fischmehl aus der Westsahara nach Bremen brachten: ‘Bente’ (im Februar 2017 und Juli 2018), ‘Rix Flevo’ (IMO number 9139335, im Juli 2017 und Dezember 2017) sowie ‘Burgtor' (IMO number 8801113, im Februar 2018).

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